Mai 2017

Frankreich hatte die Wahl

Frankreich hatte die Wahl

Als das Ergebnis der französischen Präsidentschaftswahlen verkündet wurde, hat Europa tief durchgeschnauft. Der neue Staatspräsident Emmanuel Macron ist ein Pro-Europäer und sieht die Zukunft Frankreichs in der Europäischen Union. Mit seiner Gegenkandidatin, der rechtsradikalen EU-Feindin Marine Le Pen, hätte das deutlich anders ausgesehen, da bin ich mir ganz sicher.

Macron hat erfreulicherweise auch bereits Handlungsbedarf in Frankreich definiert: Die Liberalisierung des Arbeitsmarktes müsse vorangetrieben, Investitionen in die Bildung intensiviert und bessere Zukunftschancen für Jugendliche aus Brennpunktvierteln geschaffen werden. Es ist gut und richtig, dass Macron Handlungsbedarf in Frankreich sieht. Arbeitsplätze und Perspektiven für die Jugendlichen entstehen vor Ort und nicht durch politische Entscheidungen in Brüssel.

Auch in der EU will Emmanuel Macron Reformen anstoßen. Zahlreiche seiner Vorschläge sehe ich sehr kritisch: Macron will einen europäischen Finanzminister und einen gemeinsamen europäischen Haushalt mit eigenen Steuern. Dies lehne ich ab.

Ebenso wenig gefällt mir seine Aussage, der deutsche Export-Überschuss sei nicht tragbar. Ohne die wirtschaftliche Stärke Deutschlands in der EU wäre auch die Eurozone wirtschaftlich schwach. Die anderen Mitgliedsstaaten profitieren von dieser Stärke. Statt das starke Deutschland zu bestrafen, muss man die wirtschaftliche Entwicklung in den anderen Mitgliedsstaaten ankurbeln.

Zurücklehnen können wir uns nach der Frankreich-Wahl allerdings nicht. Denn die Schlacht gegen die EU-feindlichen Links- und Rechtspopulisten ist noch lange nicht geschlagen. Trotz des Erfolgs von Macron dürfen wir nicht übersehen, dass elf Millionen Wahlberechtigte nicht zur Wahl gegangen sind, dass circa vier Millionen Menschen eine ungültige Stimme abgegeben haben. Und fast jeder dritte wahlberechtigte Franzose hat für eine offen EU- und fremdenfeindliche Politikerin gestimmt hat. Diese Zahlen zeigen einmal mehr, dass es starke nationale Strömungen in Frankreich gibt, die der EU kritisch bis ablehnend gegenüber stehen. Und Frankreich steht da nicht allein. Auch in Dänemark, Polen und den Niederlanden gibt es starke nationalistische Strömungen. Das sollte uns bewusst machen, dass wir nach wie vor stark für unsere europäischen Werte werben müssen. Zudem muss sich die EU mit den existentiellen Sorgen der Menschen befassen.