August/September 2018

Ungarn

Urheberrecht gilt auch im Internet

Das Parlament hat in der letzten Plenarsitzung beschlossen, gegen Ungarn ein sogenanntes Rechtsstaatsverfahren zu eröffnen. Ich habe gegen die Eröffnung dieses Verfahrens gestimmt. Die Entscheidung zu Ungarn war für mich eine sehr schwierige Entscheidung. Denn ist Rhetorik von Viktor Orban - national, anti-europäisch - gefällt mir überhaupt nicht und sein Auftritt im Parlament letzte Woche haben diesen Eindruck eher verstärkt.

Bei unserer Entscheidung ging es allerdings nicht um Rhetorik, sondern um die Frage, ob die Voraussetzungen für die Einleitung eines solchen Rechtstaatsverfahrens gegen Ungarn gegeben sind.

Ein Rechtstaatsverfahren ist nach den EU-Verträgen einzuleiten, wenn die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der europäischen Werte - Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Menschenrechte - besteht. Das Rechtstaatsverfahren ist ein starkes Instrument, es kann zum Entzug der Stimmrechte eines Mitgliedstaates führen. Der Sargentini-Bericht, in dem die Bewertung zu Ungarn formuliert wurde, schießt weit über das Ziel hinaus. Es werden hierin unberechtigte Vorwürfe erhoben, bereits abgeschlossene Verfahren wieder thematisiert und politisch motivierte Bewertungen zu Migration und zu anderen Themen vorgenommen, die nichts mit einem Rechtstaatsverfahren zu tun haben.

Die Europäische Kommission hat gegen Ungarn zu Recht verschiedene Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, z. B. wegen der ungarischen Mediengesetzgebung. Ungarn hat auf viele Beschwerden reagiert und die jeweiligen Gesetze geändert! Zahlreiche Verfahren wurden daher abgeschlossen, einzelne laufen noch. Wenn der Verdacht besteht, dass europäische Fördermittel veruntreut werden, müssen Ermittlungen durch die europäische Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf oder zukünftig durch den europäischen Staatsanwalt eingeleitet werden. Die Einleitung dieser Verfahren oder von Ermittlungen begrüße ich ausdrücklich, da sich alle Mitgliedstaaten an geltendes europäisches Recht halten müssen.

Für mich ist entscheidend, dass wir die Europäische Union, unser europäisches Haus, zusammenhalten und die Risse zwischen den Mitgliedstaaten nicht noch größer werden. Wir - alle Institutionen der EU - müssen mit Ungarn im Gespräch bleiben und kritisieren, wenn uns Entwicklungen wie die Gefahr einer Einschränkung der wissenschaftlichen Freiheit oder die Betätigung von Nichtregierungsorganisationen, Sorgen bereiten. Aber nicht jede politische Entscheidung oder eine aggressive Sprache rechtfertigen die Einleitung eines Rechtstaatsverfahrens.

Ich finde die Entwicklungen in Rumänien - hunderttausende Bürger gehen auf die Straße und protestieren gegen die Regierung, die ihren Präsidenten absetzen will, weil dieser mit Nachdruck Korruption in Rumänien bekämpft und deshalb Amnestie-Gesetze der Regierung nicht unterschreibt - weitaus beängstigender. In der Slowakei und in Malta wurden Journalisten ermordet, die gegen Regierungsmitglieder ermittelten. Unsere Fraktion wollte diese Themen mehrfach im Plenum zur Sprache bringen, bislang gab es dafür nie eine Mehrheit, da die linken und liberalen Fraktionen im EP dies verhindert haben.

Im Parlament hat am Dienstag Nachmittag ein "Tribunal" gegen Ungarn stattgefunden. Wer die Debatte verfolgte, musste den Eindruck gewinnen, in Ungarn gibt es keine Demokratie, keinen Rechtsstaat und die Menschenrechte werden mit Füssen getreten. Ich erkenne nicht, dass die Regierung von Viktor Orban unrechtmäßig ins Amt gekommen ist. Es mag politisch vielen nicht gefallen, dass Fidesz in Ungarn eine solide Mehrheit hat. Aber die Wahlen sind rechtmäßig abgelaufen. Und Minderheiten sollen nach dem Bericht diskriminiert werden. Ich erinnere mich, dass unter der ungarischen Ratspräsidentschaft die europäische Roma-Strategie entwickelt wurde und aus Ungarn unsere einzige Roma-Vertreterin im EP kommt. Auch in unserer Verfassung steht schließlich, wie auch in der ungarischen Verfassung, dass die Familie unter einem besonderen Schutz steht. Auch das wird von den linken und liberalen Fraktionen im EP angegriffen.

Ich habe mir die Entscheidung zu Ungarn wirklich nicht leicht gemacht. Medial ist Ungarn mit Viktor Orban als Regierungschef nun einmal der schwarze Peter. Es wäre angesichts des medialen Drucks für mich einfacher gewesen, gegen Ungarn zu stimmen oder mich zu enthalten. Ich möchte, dass wir mit Ungarn einen normalen Umgang pflegen, dazu müssen wir im Dialog bleiben. Ich hoffe sehr, dass uns dies auch nach der Entscheidung des EP möglich sein wird. Denn wir brauchen für die anstehenden Herausforderungen in der Welt ein starkes Europa, das als solches aber auch nur wahrgenommen wird, wenn wir nicht gegeneinander in der EU, sondern miteinander arbeiten.