Die Gestaltung der Wehrpflicht - ein europäischer Vergleich

Wehrpflicht

In der aktuellen Debatte um die Reform der Bundeswehr spielt die Gestaltung der Wehrpflicht eine zentrale Rolle. Abschaffen, aussetzen, umstrukturieren lauten die Vorschläge, wie künftig mit der Wehrpflicht verfahren werden soll. "Die Aufgaben und Herausforderungen der Bundeswehr haben sich in 60 Jahren grundlegend geändert", so die Europaabgeordnete Angelika Niebler: "Von der Verteidigung der Bundesrepublik bis zum Einsatz in den Krisenregionen der Erde." Kooperationen und Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern würden zunehmend wichtiger. Es lohnt sich also der Blick auf die anderen Länder: Wie gewährleisten sie die Funktionstüchtigkeit ihrer Heere, auf welche Strukturen bauen unsere Nachbarn?

Die interessanteste Erkenntnis zuerst: In 27 EU-Staaten gibt es nur noch in fünf Ländern die allgemeine Wehrpflicht. Dabei handelt es sich um Deutschland, Estland, Griechenland, Österreich und Zypern. Die anderen großen - insbesondere süd- und mitteleuropäischen Länder - haben ihre Heerstruktur in den vergangenen Jahren reformiert, die Wehrpflicht abgeschafft und Freiwilligenarmeen aufgebaut. Vorreiter waren Großbritannien und Nordirland, die bereits seit 1963 auf die Wehrpflicht verzichten. Das Vereinigte Königreich gilt als Vorbild bei der Professionalisierung seiner Streitkräfte: Der britischen Berufsarmee gehören inzwischen etwa 178.000 Soldaten an.

Die französische Regierung begründete ihre Heeresreform 2001 mit Wehrungerechtigkeit, hohen Kosten und der Unvereinbarkeit mit den aktuellen strategischen Herausforderungen. In Spanien wurde die Wehrpflicht 2002 abgeschafft. Inzwischen hat die spanische Armee allerdings Probleme bei der Rekrutierung von Personal. Offenbar ist die Bezahlung gemessen an der Belastung zu gering. So blieb Spanien wegen Nachwuchsmangels nichts anderes über, als seine Armee zu verkleinern und Soldaten aus Lateinamerika anzuwerben. "Sollten wir uns in Deutschland auf die Einführung einer Berufsarmee verständigen", sagt deshalb Angelika Niebler, "müssen wir attraktive Bedingungen für die Männer und Frauen schaffen, die diesen Beruf ergreifen wollen." Dies könnte längere Wehrdienstzeiten zwischen 12 und 24 Monaten, Sprachkurse, internationale Ausbildungselemente und Austausche beinhalten.

Eine Reform der Wehrpflicht wäre nach Meinung der oberbayerischen CSU-Europaabgeordneten schon allein deshalb notwendig, weil die Auslandseinsätze die Soldaten vor neue Herausforderungen stellen. Zunehmend werden Spezialisten benötigt, um hochkomplexe Waffensysteme zu bedienen. Für die Wehrpflicht spreche allerdings, dass die Rekrutierung des Nachwuchses für die Offizierslaufbahn einfacher sei. In Belgien jedoch wurde der Wehrdienst abgeschafft, eben weil er nicht dazu beitrug, langfristig qualifiziertes Personal zu rekrutieren. Allerdings bleibt auch in Ländern mit einer Berufsarmee die Rekrutierung ein Problem: Häufig fehlen ausreichend Soldaten und das professionelle Anwerben ist teuer. "Ein weiterer wichtiger Punkt, den wir in keinem Fall vergessen dürfen ist der Zivildienst, dessen Abschaffung ein großes Loch im sozialen Bereich reißen würde. 90.000 Stellen müssten dadurch kompensiert werden", gab Angelika Niebler zu bedenken. Sie spricht sich deshalb für den deutlichen Ausbau von Freiwilligendiensten aus.