Ungarn übernimmt Ratsvorsitz - Umstrittenes Mediengesetz wartet auf Prüfung durch EU-Kommission

Ungarn übernimmt Ratsvorsitz

Den sprichwörtlichen Dorn im Auge des Nachbarn suchen die Europäer derzeit in Ungarn. Dieser wird in dem neuen Pressegesetz vermutet, das der frisch gebackene Vertreter der ungarischen Ratspräsidentschaft, Viktor Orbán, im Europäischen Parlament in Straßburg bei seiner Antrittsrede verteidigen musste. Kritiker aus den Reihen der Linken, Liberalen und Grünen warfen ihm vor, die Pressefreiheit in seinem Land sei gefährdet, weil die einseitig besetzte neue Medienbehörde Zeitungen wegen "politisch unausgewogener" Berichterstattung mit hohen Bußgeldern belegen könne. "Es steht außer Frage, dass die Pressefreiheit in ganz Europa geschützt werden muss. Ich warne aber davor, voreilige Schlüsse zu ziehen: Die meisten Mitgliedstaten haben Mediengesetze, die vergleichbare Vorgaben für eine ausgewogene Berichterstattung im Rundfink vorsehen. Wir sollten die Prüfung des Gesetzes durch die Kommission abwarten. Ministerpräsident Orbán hat sich ausdrücklich bereit erklärt, Änderungen des Mediengesetzes vorzunehmen, falls es nicht mit europäischem Recht vereinbar ist", sagte die oberbayerische CSU-Europaabgeordnete, Angelika Niebler, selbst Mitglied des ZDF-Fernsehrates.

Zu Beginn seiner Rede vor den Abgeordneten wies Orbán auf die zentrale Rolle hin, die Ungarn im Hinblick auf das Zusammenwachsen der Europäischen Union gespielt habe. So sei ausreisewilligen DDR-Bürgern 1989 erstmals über das reformwillige Ungarn die Ausreise ermöglicht worden, die deutsche Wiedervereinigung sei auch dadurch ins Rollen gekommen. Er sprach außerdem über die Folgen des ungarischen Aufstands gegen die kommunistische Diktatur im Jahr 1956 und bezeichnete die heutige Stellung seines Landes als Beleg für die geschichtliche Gerechtigkeit eines Landes, das in der Nachkriegszeit einen hohen Blutzoll für seine Freiheit bezahlen musste. Orbán selbst hatte sich als junger Student unter Einsatz seines Lebens und seiner Freiheit an Demonstrationen gegen das kommunistische Regime beteiligt. Als überzeugter Europäer lege er großen Wert auf den Namen des Programms des ungarischen Ratsvorsitzes: "Strong Europe".

Mit dem Programm einher gehe die Stabilisierung des Euro, die Mehrung des Wohlstands und die Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa. Obwohl wirtschaftliche Themen angesichts der Eurokrise im Vordergrund stehen, werde er Themen wie die Donau-Strategie wieder auf die Agenda setzen und auch die Energiethematik nicht vergessen, um ein nord-südliches Energienetz neben dem bestehenden west-östlichen Netz zu schaffen. Damit solle die Energieabhängigkeit in Europa vermindert werden. Auch eine funktionierende europäische Roma-Strategie sei von Nöten, damit die Probleme, die derzeit in vielen europäische Länder aufträten, sich nicht auf andere Länder übertragen.