Juli 2015

Tsipras im Europäischen Parlament

War es eine Sternstunde des Europäischen Parlaments oder eher eine ernüchternde Veranstaltung?

Tsipras im Europäischen Parlament

Der griechische Premierminister Alexis Tsipras betrat den Plenarsaal und es gab stehende Ovationen vom rechten und linken Flügel des Hauses: Kommunisten und Rechtspopulisten wie der Front National, UKIP-Vertreter und Anhänger von Gert Wilders, jubelten Tsipras zu, ihrem Helden, der den anderen Euro-Staaten das Fürchten lernt, die verhasste Austeritätspolitik ablehnt und Solidarität ohne Gegenleistung einfordert. Für die Linken steht er für ein kommunistisches Europa, für die Rechtspopulisten und Nationalisten spaltet er diese Europäische Gemeinschaft: Beide Lager im Jubel vereint, wie ernüchternd und erschreckend!

Dann sprach er zu uns Abgeordneten: Wer, wie ich, erwartet hatte, er würde berichten, was seine Regierung seit Amtsantritt unternommen hatte, um Griechenland aus der Misere herauszuführen, wurde enttäuscht. Kein Wort zu den Reformen, die er noch vollmundig im Wahlkampf versprochen hatte, kein Wort des Bedauerns über die verbalen Entgleisungen einiger seiner Minister in den letzten Wochen und Monate. Stattdessen behauptete er erneut, die Geldgeber würden Griechenland terrorisieren.

Die Debatte im Anschluss an seine Rede wurde dann aber doch zu einer Sternstunde des Europäischen Parlaments: Insbesondere unser EVP-Fraktionschef, mein niederbayerischer Kollege Manfred Weber, sprach Klartext und warf Tsipras würdelose Politik vor: Wer sein Volk belügt und in wenigen Wochen gegenüber seinen Partnern in der EU, die zur Solidarität bereit sind, jegliches Vertrauen verspielt, betreibe, so Weber, eine würdelose Politik.

Wird nun die griechische Regierung das liefern, was sie gegenüber den anderen Euro-Ländern versprochen hat? Werden die Griechen die dringend notwendigen Reformen akzeptieren? Wir werden sehen. Unsere griechischen Kollegen berichten, dass sich die Stimmung im Land sehr verändert habe: Wer drei Wochen nicht auf sein Bankkonto zugreifen kann, wer erleben muß, dass Apotheken schliessen und die Notversorgung in den Krankenhäusern nur mit Mühe sichergestellt ist, hat, so unsere griechischen Kollegen, in den Abgrund geschaut und den Ernst der Lage erkannt.

Griechenland wird uns weiter beschäftigen. Hoffen wir, dass die Reformen fruchten. Andere Alternativen sollten wir jedoch gedanklich heute noch nicht ausschliessen.