ßß Newsletter von Dr. Angelika Niebler

September 2016

Grundsatzrede zur Lage der Europäischen Union

Grundsatzrede zur Lage der Europäischen Union

Die Europäische Union steckt „in einer existenziellen Krise“. Mit dieser zutreffenden Feststellung begann EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seine Grundsatzrede zur Lage in der Europäischen Union letzte Woche im Europäischen Parlament. Das Votum der Briten zum EU-Austritt bedeute jedoch nicht das Ende der EU. Ärgerlicher seien die Risse und Brüche durch nationale Interessen in der Gemeinschaft. Das spiele nur Populisten in die Hände. „Populismus löst keine Probleme - im Gegenteil: Populismus schafft Probleme.“ Dagegen müsse sich die EU wehren. Und sich zu einem Europa entwickeln, das schützt, stärkt und verteidigt. Die nächsten zwölf Monate seien entscheidend, wenn man die Union wieder zusammenführen wolle, so Juncker in seiner schonungslosen Zustandsbeschreibung.

Ich begrüße, dass Juncker die Probleme nicht beschönigt, sondern klar benannt hat. Auch ich bin der Meinung, dass Europa nur funktionieren kann, wenn wir nach Einheit und Gemeinsamkeit streben und uns nicht beim Gerangel um Kompetenzen und Vorzugsstellungen aufreiben. Nur dann ist Europa tatsächlich mehr als die Summe seiner Teile und kein zusammengewürfelter Haufen. Nur so können wir uns wirksam gegen den Terror stellen, können Europas Jugend eine Perspektive bieten.

Juncker hat auch konkrete Schritte aufgezeigt, wie Europa vorankommen kann. So will er das 2014 gestartete Investitionsprogramm von 315 Milliarden Euro bis 2020 auf 630 Milliarden verdoppeln. Mit einem kleinen Anteil an öffentlichen Geldern sollen vor allem private Investitionen angestoßen werden. Damit soll die Konjunktur gestärkt und die Arbeitslosigkeit verringert werden. Der Kommissionspräsident hofft auf über eine Million neue Jobs in der EU. Freies WLAN in den Zentren aller europäischen Großstädte bis zum Jahr 2020 sowie der Ausbau eines superschnellen mobilen Internets soll den gemeinsamen digitalen Markt in der Europäischen Union vorwärts bringen.

Zum raschen Aufbau eines gemeinsamen Grenz- und Küstenschutzes gehört auch ein ständiges europäisches Hauptquartier für Auslandseinsätze. Zudem braucht die EU eine besser koordinierte Diplomatie. Und ein europäisches Einreisesystem.

Alles begrüßenswerte Projekte. Trotzdem fehlten mir in der Rede wichtige Punkte. Der Präsident hat kein Wort zur Türkei verloren - weder zu den Vorgängen nach dem Putsch, noch zur Problematik der geforderten Visa-Erleichterungen. Die Türkei ist ein wichtiger Partner, aber eine Mitgliedschaft in der EU ist derzeit nicht in Sicht. Auch dies gehört ehrlicherweise angesprochen.