Newsletter von Prof. Dr. Angelika NieblerNewsletter Oktober 2020

Sanktionen bei Missachtung der EU-Grundwerte

Jüngste Fälle von Korruption, der Einschränkung der Medienfreiheit oder der Unabhängigkeit der Justiz, wie dies in einigen Mitgliedstaaten leider festzustellen ist, haben uns erneut alarmiert. Sind die Gerichte in den EU-Mitgliedsstaaten wirklich unabhängig? Gibt es tatsächlich überall freie Wahlen? Wird die Presse bei ihrer Berichterstattung beeinflusst und politisch gesteuert? Als Europaabgeordnete sehe ich es als meine Pflicht an, die Grundwerte der Europäischen Union zu schützen und zu stärken. Dazu gehören Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, die Achtung der Menschenwürde und die Wahrung der Menschenrechte. Recht und Gesetz zu achten, ist für unser gegenseitiges Vertrauen und damit für das Vertrauen in die EU essentiell.

Wir dürfen vor Problemen nicht die Augen verschließen, auch und gerade nicht innerhalb der EU. Im Gegenteil: Als Europa-Abgeordnete müssen wir den betreffenden Staaten sehr deutlich erklären, dass sie etwas ändern müssen. Nach einem neuen Bericht der Kommission gibt es in Polen, Malta, Rumänien, Bulgarien, Ungarn und der Slowakei Versäumnisse.

Wir haben bereits Mechanismen für entsprechende Reaktionen, wenn diese Werte durch einen Mitgliedsstaat verletzt werden. Aber dafür braucht es die absolute Mehrheit der Abgeordneten und eine Entscheidung der Mitgliedstaaten. Selbst für die Feststellung, ob eine schwerwiegende Verletzung der EU-Werte stattgefunden hat, braucht es neben der Zustimmung des Parlaments ein Votum der Mitgliedstaaten. Dieses Verfahren hat sich in der Vergangenheit als extrem schwierig herausgestellt.

Das Europäische Parlament schlägt deshalb nun ein Verfahren vor, wie alle EU-Mitgliedsstaaten regelmäßig auf den Zustand ihres Rechtsstaats überprüft werden sollen und fordert in diesem Zusammenhang, dass EU-Gelder dort zu kürzen sind, wo die Werte der Europäischen Union konsequent missachtet werden. Mir ist schon klar, dass dies den betroffenen Mitgliedstaaten nicht schmeckt. Aber sie haben ja die Möglichkeit, daran etwas zu ändern. Und wenn sie es nicht freiwillig tun, dann eben über finanzielle Sanktionen. Ich finde: Wer von EU-Fördermitteln profitieren will, der muss auch die europäischen Grundwerte respektieren und einhalten. Dies muss umso mehr gelten, als mit dem mehrjährigen Finanzrahmen und dem Wiederaufbaufonds den Mitgliedstaaten zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise Milliarden-Hilfen zur Verfügung gestellt werden.

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