Newsletter Juli 2011

Otto von Habsburg - Ein Nachruf von Bernd Posselt

Otto von Habsburg

Am 4. Juli verstarb Otto von Habsburg, der letzte große Baumeister der europäischen Einigung aus der Pionier-Generation. Ich selber war fast zwei Jahrzehnte der engste Mitarbeiter Otto von Habsburgs und kann daher aus persönlicher Erfahrung betonen, dass dieser sich schon in den dreißiger Jahren der Paneuropa-Bewegung anschloss, gegen Nationalsozialismus und Kommunismus kämpfte, die politische Einigung Europas mit dem Ziel eines starken supranationalen Bundes vorantrieb und entscheidend dazu beitrug, den Eisernen Vorhang niederzureißen.

Nach der ersten Europawahl 1979 hat der Verstorbene zwanzig Jahre lang in der europäischen Volksvertretung als einer ihrer Motoren gewirkt, und wir werden dieses Vermächtnis gegen alle Tendenzen zur Renationalisierung weitertragen. Aus tiefer christlicher Überzeugung ist der langjährige Präsident und jetzige Ehrenpräsident der Paneuropa-Union einer jener vorbildlichen Politiker gewesen, die eine glaubwürdige Persönlichkeit und eine klare Programmatik mit einer unermüdlichen Basisarbeit vereinten. Ich danke dem ehemaligen Thronfolger von Österreich-Ungarn und damit letzten Kronprinzen von Böhmen, dass er stets mit Herzblut für Bayerns Vierten Stamm, zu dem er sich zählte, gekämpft hat.

Otto von Habsburg war ein unabhängiger Geist, der die Grenzen der politischen Lager gesprengt und mit allen die Freundschaft, den Dialog und auch den Streit gesucht hat. Lange vor anderen hat der ehemalige Paneuropa-Präsident sich im interreligiösen Dialog zwischen Christen, Juden und Muslimen engagiert.
Zuvor hatte schon Parlamentspräsident Jerzy Buzek, Mitbegründer der Freiheitsbewegung Solidarnosc und langjähriger polnischer Ministerpräsident, Otto von Habsburg bei der Eröffnung des Plenums "als einen Giganten der europäischen Einigung und maßgeblichen Kämpfer für die Beseitigung des Eisernen Vorhanges" charakterisiert. Der EVP-Fraktionsvorsitzende, der elsässische Paneuropäer Joseph Daul, wies auf das Paneuropa-Picknick vom 19. August 1989 an der österreichisch-ungarischen Grenze hin, das zur ersten großen Massenflucht seit dem Mauerbau und damit zum Ende des kommunistischen Ostblocks geführt habe. Konsequent sei der Verstorbene den Weg vom Überwinder der Stacheldrähte und Minenfelder zum Vorkämpfer der EU-Osterweiterung gegangen.

Ebenfalls während des Juliplenums zelebrierten der Ständige Vertreter des Heiligen Stuhles in Straßburg, Monsignore Aldo Giordano, der Parlamentsgeistliche und Prior der elsässischen Dominikaner P. Bernard Senelle OP und der syrisch-katholische Erzbischof aus dem Libanon Joseph-Flavien Melki im Europaparlament ein Requiem für Otto von Habsburg, an dem zahlreiche Abgeordnete fast aller Fraktionen und Nationen teilnahmen. Pater Senelle erinnerte in seiner Predigt daran, dass der Verstorbene gemeinsam mit dem damaligen Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano die Tradition der Straßburger Parlamentsgottesdienste begründet habe, die seitdem am Mittwoch jeder Plenarsitzung stattfinden.