Newsletter Dezember 2012

Durchbruch durch die gläserne Decke? EU-Kommission legt Vorschlag zu einer Zielvorgabe vor

Durchbruch durch die gläserne Decke?

55 Jahre nach Beginn der Gleichstellungspolitik auf europäischer Ebene dominiert in ganz Europa noch immer ein Geschlecht die Führungsetagen der Unternehmen. Und es ist sicherlich keine Überraschung, dass es sich hierbei nicht um das weibliche Geschlecht handelt. 85% der nicht geschäftsführenden Direktoren bzw. Aufsichtsratsmitglieder und sogar mehr als 90% der geschäftsführenden Direktoren bzw. Vorstandsmitglieder sind Männer. In den vergangenen 10 Jahren hat sich der Anteil von Frauen in den Leitungsorganen von Unternehmen durchschnittlich um jährlich 0,6% Prozentpunkte erhöht.

So langsam kann es nicht weitergehen - meinte auch die für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding und legte in der vergangenen Woche gemeinsam mit 5 weiteren Kommissarskollegen einen entsprechenden Richtlinienvorschlag vor. Kernpunkt dieses Vorschlags ist eine Zielvorgabe, nach der das unterrepräsentierte Geschlecht bis zum Jahr 2020 40% der Aufsichtsratsmitglieder bzw. der nicht geschäftsführenden Direktoren in börsennotierten Unternehmen stellen sollen. Kurzum: Mehr Frauen an die Macht!

Auch wenn diese Parole zunächst sehr platt klingen mag, so hat sie doch einen seriösen Hintergrund. Mehrere Studien haben belegt, dass Unternehmen mit einem ausgewogeneren Anteil von Frauen und Männern in den Führungsetagen wirtschaftlich erfolgreicher sind. Unterschiedliche Denkweisen und kollegiale Einstellung eröffnen neue Perspektiven und führen zu ausgewogeneren Entscheidungen.

Positiv ist an dem Vorschlag zu bewerten, dass es sich nicht um eine starre Quotenvorgabe handelt, bei dem empfindliche Strafen bei nicht-Erreichen der Zielmarke drohen. Vielmehr sind die Unternehmen dazu aufgefordert, neue Mitglieder der nicht-geschäftsführenden Gremien nach vorab festgelegten, neutral formulierten und eindeutigen Kriterien auszuwählen. Bei gleicher Qualifikation hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung soll dem unterrepräsentierten Geschlecht Vorrang eingeräumt werden.

Sanktionen, die letztendlich von den Mitgliedstaaten festzulegen sind, drohen erst dann, wenn die Vorgaben zum Auswahlverfahren nicht eingehalten werden. Ein nicht-Erreichen der Zielvorgabe ist hingegen kein Kriterium.

"Die Frauenquote ist zwar kein Allheilmittel, allerdings ist sie ein Baustein in einem großen Mosaik.", stellte auch Angelika Niebler fest. Noch nie gab es so viele Diskussionen um eine angemessene Beteiligung von Frauen in den Führungsetagen unserer Wirtschaft wie in den vergangenen zwei Jahren. Der nun vorgelegte Richtlinienvorschlag ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, um ein Umdenken in den Unternehmen herbeizuführen. Gleichzeitig dürfen andere Maßnahmen natürlich nicht vernachlässigt werden. Die Politik ist weiterhin gefordert, ausreichend Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen. Die Unternehmen müssen dafür Sorge tragen, dass weibliche Nachwuchskräfte für die Unternehmensführung aufgebaut werden. Und auch die Frauen selbst sind aufgerufen, Führungsverantwortung zu übernehmen. Ich bin überzeugt, dass sich die Situation durch eine Kombination der genannten Maßnahmen in den kommenden Jahren verbessern wird.

In Deutschland gibt es geteilte Reaktionen auf den Vorschlag. Während es einerseits große Zustimmung gibt, werden andererseits Stimmen laut, dass die EU-Kommission in diesem Bereich keine Gesetzgebungskompetenz gibt und es - wenn überhaupt - eher Aufgabe der nationalen Politik sei, die Situation in den Unternehmen zu ändern.