Der Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) hat die Überprü-fung der Gebotszonenkonfigurationen in Europa für das Zieljahr 2025 durchgeführt. Dazu erklärt Prof. Dr. Angelika Niebler, oberbayerische CSU-Europaabgeordnete:
„Die Empfehlung die deutsch-luxemburgischen Stromgebotszone in bis zu fünf separate Zonen zu trennen, sehe ich höchst kritisch. Eine Teilung würde nicht nur zu regional stark abweichenden Strompreisen führen, sondern unsere energieintensive Industrie, insbe-sondere im Süden und Westen Deutschlands, erheblich belasten. Gerade für jene Be-triebe im Mittelstand könnte eine Stromzonenteilung den Todesstoß bedeuten. Stand-orte geraten unter Druck, Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Bereits jetzt zählt unser Land zu den Hochpreisstandorten in Europa. Laut Eurostat lag der durchschnittliche In-dustriestrompreis in Deutschland 2023 bei rund 20 ct/kWh, während er im EU-Durch-schnitt bei etwa 14 ct/kWh lag. Eine weitere Belastung wäre weder wirtschaftlich tragbar noch klimapolitisch zielführend.
Wir befinden uns mitten in einer tiefgreifenden Transformation unseres Energiesystems. In dieser dynamischen Lage brauchen Unternehmen wie Verbraucher keine neuen Bruchstellen, sondern verlässliche, planbare Rahmenbedingungen. Eine Zonenaufspal-tung würde das Gegenteil bewirken. Der sogenannte Wohlfahrtsgewinn, also die mone-tär bezifferte Verbesserung im Falle einer Aufteilung, beträgt lediglich 339 Mio. Euro pro Jahr – weniger als 1 % der gesamten Systemkosten im zentraleuropäischen Raum. Dem gegenüber stünden laut Studie Übergangskosten von 1,2 bis 2,4 Milliarden Euro allein für Deutschland, die bereits erwähnten höheren regionalen Strompreise sowie weniger Marktliquidität und höhere Transaktionskosten für Unternehmen und Verbraucher. Das führt zu Unsicherheiten bei Investitionen, Verzögerungen bei Projekten im Bereich erneu-erbarer Energien und einer Schwächung der wirtschaftlichen Gesamtleistung Deutsch-lands – mit Auswirkungen auf ganz Europa. Gebotszonenübergreifende Power Purchase Agreements (PPAs) würden erschwert, europäische Klimaziele gefährdet und der Strombinnenmarkt fragmentiert. Statt neue Grenzen zu ziehen, sollten wir Netzwerke stärken – innerhalb Deutschlands und mit unseren europäischen Partnern.
Zudem gilt es festzuhalten, dass die ENTSO-E-Studie auf Eingangsdaten aus dem Jahr 2019 basiert und Effekte für das Zieljahr 2025 simuliert. Realistisch wäre eine Umsetzung erst ab 2030, wenn überhaupt. Das bedeutet: Eine Entscheidung auf Basis von sechs Jahre alten Annahmen würde Fakten schaffen für eine Zukunft, die sich längst weiterent-wickelt hat. Bis 2028 sollen beispielweise zentrale Netzinfrastrukturprojekte wie Sued-Link, SuedOstLink oder Ultranet in Betrieb genommen werden – Projekte, die entschei-dend zur Auflösung heutiger Engpässe beitragen.
Zwar ist der vorliegende Bericht noch keine endgültige Entscheidung, aber ein weitere unmissverständliche Botschaft. Es ist gut, dass sich die Bundesregierung im Koalitions-vertrag darauf geeinigt hat, die einheitliche Stromgebotszone beizubehalten. Nun gilt es zusammenzuhalten, denn eine stabile, verlässliche Energieversorgung ist das Rückgrat unseres Wohlstands. An diesem Grundsatz darf auch der heutige Bericht nichts ändern.“
Zum Hintergrund:
Grundlage der Studie ist eine Verpflichtung gemäß der EU-Verordnung (EU) 2019/943 zur Überprüfung und möglichen Anpassung der Gebotszonen. Stromgebotszonen sind geo-grafische Regionen, innerhalb derer Strom zu einem einheitlichen Preis gehandelt wird, ohne dass interne Netzengpässe berücksichtigt werden. Ziel dieser Struktur ist es, den Stromhandel zu erleichtern und Preisstabilität zu gewährleisten. Allerdings führen zu-nehmende Engpässe, insbesondere in großen Ländern wie Deutschland, zu immer hö-heren Redispatch-Kosten, weil der tatsächliche Netzbetrieb nicht mit den Marktpreisen übereinstimmt. Um diese Probleme zu adressieren, fordert die europäische Strombin-nenmarktverordnung (EU) 2019/943 eine regelmäßige Überprüfung der Gebotszonenein-teilung. Die Diskussion um die Zukunft der Stromgebotszonen wird sich in den kommen-den Jahren weiter verschärfen – insbesondere vor dem Hintergrund des Ausbaus erneu-erbarer Energien und der Modernisierung der Netze.